Die Muse ist ein launisches Geschöpf. Fröhlich kichernd entzieht sie sich dem brachliegenden Geist, der auf ihre Eingebung hofft und sich sehnlichst nach ihrem Kuss sehnt. Vielleicht weil sie sich bisweilen rar macht, weil sie ein Kind des Zufalls ist, begehren wir sie so.
Jobs in der Kreativbranche bringen es mit sich, dass die fleißigen Arbeiter auf eine gutfunktionierende Affäre mit der Muse angewiesen sind. Schließlich sind kreative Leute diejenigen, die alle anderen Kollegen aus dem tristen Alltagstrott reißen, das Unternehmen durch geniale Einfälle sanieren und noch nie Dagewesenes erschaffen sollen. Durch eine einzige Idee. Einen Geistesblitz. Die Inspiration wird ähnlich definiert, als „unerwarteter Einfall“ und „Ausgangspunkt für künstlerische Kreativität“. Aber auch der Geist, spiritus, steckt in der Inspiration. Und spiritus wird wiederum mit Leben übersetzt. Kreativität kann also auch eine Eingebung vom Leben sein, beispielsweise eine guthe Geschichte.
Ich habe mir am Wochenende darüber Gedanken gemacht, über was ich als nächstes schreiben könnte. In der Tat ist mir seit Weihnachten nichts erzählenswertes begegnet, keine Absurdität des Alltags, die ich hätte verarbeiten wollen. Liegt das nun daran, dass einfach nichts erzählenswertes um mich herum passiert ist? Das wäre die logische Erklärung für die mangelnde Inspiration, ein unerwarteter Einfall wollte sich nicht einstellen. Aber das mag ich irgendwie so nicht glauben, das wäre mir zu fatalistisch. Ein weiterer Erklärungsversuch: Vielleicht fiel mir deshalb nichts ein, weil ich zu sehr darauf gewartet habe, dass mir etwas einfällt.
Auf der anderen Seite schreibt das Leben ja noch immer die besten Geschichten, ich kann also einfach abschreiben. Dafür muss ich das Buch in dem diese Geschichten geschrieben stehen aufschlagen, das Leben lesen. Kennen wir das nicht alle, meist in der Zeit vor Klausuren, dass wir manchmal vor einem Text saßen, ihn zwar physisch lasen, aber nicht erfassten? Seite um Seite umblätterten, aber hätte uns jemand gefragt, was wir gerade gelesen haben, dann hätten wir nicht antworten können. Weil der Text nicht fassbar war, die Worte sich nicht zu einem Sinn zusammenfügten. Wir sind beim Lesen abgeschweift. So ist es meiner Ansicht nach auch beim Gedanken machen, beim inspiriert sein. Ich glaube dass viele Ideen in unserem Kopf herumschwirren, dass sie immer da sind. Die Kunst aber ist es, einen Zugang zu diesen Ideen zu finden. Eine davon zu extrahieren, ins Bewusstsein zu ziehen und ihr Leben einzuhauchen. Mein Zugang zu meinen Ideen ist oft ein Impuls. Ein Bild, ein Gesprächsfetzen, eine Begegnung oder sogar die Abwesenheit einer Idee. All das kann wie ein Blitz in meinen Geist einschlagen und eine Idee aus meinem Gedankenwirrwar herauslösen. Ein bisschen Chaostheorie der Kreativität.
warum so bescheiden ? Heimat und Wiedergeburt sind entstanden – es darf auch mal eine „lange Weile “ sein !
Aus „Lange weile “ entsteht im positiven Sinne Muse – diesen Luxus können sich sowieso nur wenige im Arbeitsleben stehende Menschen gönnen. Der Zeitgeist diktiert Bewegung, Eile,Terminstress, Konsum, ….und suggeriert: nur dann bist du „dabei“ mitten im Leben- aber in welchem Leben?
Welche Kräfte möchten den Menschen vom Menschsein – denn das heißt auch Zeit haben , träumen , achtsam sein , sich begegnen- entfremden? Zu welchem Zweck?
Du weißt die Antwort. Menschen, die eine innere Leere verspüren, konsumieren mehr,sind leichter zu (ver)führen, als die, die sich Zeit nehmen , sich kennenzulernen und auch sich auszuhalten mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen und das Heil nicht in Ablenkung durch Dinge oder andere Menschen zu suchen.
Liebe Mama, danke für deinen Kommentar. Ist die Wirtschaft oder die Gesellschaft oder der Zeitgeist die Wurzel allen Bösens? Ich weiß es nicht.
Aber wenn man in der Zeitgeschichte zurück blickt, dann hat Plautus vor über 1700 Jahren bereits eine ganz gute Erklärung für die Kraft gefunden, die den Mensch bisweilen vom Menschsein trennen möchte: homo homini lupus. Wie gut, dass vom Menschen auch die Kraft ausgehen kann, die vereint und erschaffen kann: die (Nächsten-)liebe.
Das Thema scheint nicht nur uns zu beschäftigen, auch der Spiegel schreibt dazu eine Geschichte: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/verzicht-auf-konsum-und-karriere-portraet-des-berliners-von-jorck-a-942518.html